Beratung für Schuldner*innen: Hilfe in der Not
Das Telefon klingelt immer wieder. Draußen vor der Tür sitzt bereits ein Klient mit einem dicken Ordner unter dem Arm und wartet. Es bleibt nur wenig Zeit zum Durchatmen für Holger Beeke und seine Kollegin Frauke Schmitz. Die Schuldner- und Insolvenzberatung der AWO an der Drostenstraße in Bocholt kämpft seit längerer Zeit mit der hohen Nachfrage an Beratungen und Hilfe. „Und ich bin mir sicher, im nächsten Jahr rollt noch mehr auf uns zu“, sagt Holger Beeke. „Denn erst dann spüren wir die Auswirkungen der Gas- und Strompreiserhöhung wirklich.“ Der Schuldnerberater meint damit die hohen Nachzahlungen, die für viele Haushalte prognostiziert wurden. „Jetzt kümmern wir uns noch vermehrt um die Corona-Nachwehen“, ergänzt Frauke Schmitz. „Für viele Menschen, die in Kurzarbeit gehen mussten, haben sich dadurch existenzbedrohende Lebensumstände ergeben.“
Sparen, zur Seite legen, das Kaufverhalten überdenken – all diese Ratschläge, die im Zuge der Inflation und der Energiepreiserhöhungen gegeben werden, bringen vielen Menschen nichts. „Wer am Ende des Monats kein Geld mehr hat, kann es auch nicht ansparen“, sagt Holger Beeke. „Wenn dein Geld nicht mehr für den normalen Lebensunterhalt reicht, wie sollst du da zusätzlich jeden Monat einen Betrag zur Seite legen?“ Ein Energiebonus sei da nur ein schwacher Trost. „Zumal der gar nicht bei allen Menschen ankam“, erklärt Beeke und führt aus: „Menschen mit P-Konto wurde der einfach sofort gepfändet.“ Ein Pfändungsschutzkonto, kurz P-Konto, bietet automatisch einen Pfändungsschutz von 1.340 Euro. Alles, was darüber hinaus auf das Konto als Einnahmen eingeht, darf von Gläubigern gepfändet werden. „Zum Glück konnten wir für diese Menschen eine Regelung finden, an den Energiebonus zu kommen. Aber darüber hat sich im Vorfeld keiner der Politiker:innen Gedanken gemacht“, sagt Holger Beeke.
Der Schuldnerberater und seine Kollegin erwarten in den nächsten Monaten mehr Beratungsbedarf bei Menschen, die eigentlich ein gesichertes Einkommen haben. „Auch die werden ins Trudeln kommen und dann vielleicht Heiz- und Stromrechnungen oder Betriebskostenabrechnungen mit ihrem Einkommen nicht in Gänze zahlen können“, sagt Frauke Schmitz. Und was dann? „Viele Menschen haben zumindest teilweise einen Übernahmeanspruch durch das Jobcenter. Auch Rentner:innen, Wohngeld- und Kinderzuschlagbeziehende oder Auszubildende haben diese Ansprüche“, erklärt Holger Beeke. „Sie wissen es meist nur nicht.“ Wichtig zu wissen sei darüber hinaus vor allem, dass ein Antrag auf Übernahme beim Jobcenter im Monat der Fälligkeit einer Forderung gestellt werden muss, damit der Übernahmeanspruch nicht ganz oder teilweise entfällt. Betroffenen, die bereits Schulden bei Vermieter oder Energieunternehmen gemacht haben, rät der Schuldnerberater: „Miet- und Energieschulden verlangen ein sofortiges Handeln.“
Auch wenn es schwerfällt, aus falscher Scham sollte niemand den Kopf in den Sand stecken. „Das erleben wir sehr oft“, sagt Frauke Schmitz. „Dabei kann einfach jeder in eine Notsituation geraten. Das zeigt ja auch die jetzige Situation.“ Das Angebot der Schuldner- und Insolvenzberatungen ist kostenlos und kann von jedem in Anspruch genommen werden.
INFO
Schuldner- und Insolvenzberatung Bocholt
Holger Beeke
Drostenstraße 1
46399 Bocholt
Tel.: 02871 340917
Dieser Artikel stammt aus unserem Magazin „AWO erleben!“. Die gesamte Ausgabe steht hier zum Download bereit.