Früh übt sich Demokratie

Seit 2015 besteht die „Partnerschaft für Demokratie Herten“ innerhalb des Programms „Demokratie leben“. Im Februar wurde das Projekt bis 2032 verlängert. In der Kita St. Barbara etwa üben schon die Jüngsten demokratische Mitbestimmung.

Text: Jörn-Jakob Surkemper
Die Höhe der Bälle zeigt, wer oder was bei der Abstimmung vorne liegt. Dadurch wird Demokratie für die Kinder sichtbar. Foto: Christian Kuck

Ein Dutzend Drei- bis Sechsjähriger wirft emsig kleine Bälle in drei durchsichtige Säulen. Über jeder dieser „Demokratiesäulen“ ist ein kleines Kärtchen mit einem Bild angebracht. Es geht um das Motto der Karnevalsparty. Das Bild eines blonden Mädchens steht für „Märchen“, ein Delfin für „unter dem Meer“ und ein Gebirge für „Superhelden“. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Superhelden-Säule ist gut zur Hälfte gefüllt, die beiden anderen nur zu einem Viertel. Lina und Lotta wirken enttäuscht. Sie hätten sich gerne als Prinzessinnen verkleidet. Erzieherin Chrissoula Liako kann der Vier- und der Fünfjährigen wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern: „Prinzessinnen können doch auch Superhelden sein.“

„Wir nutzen die Säulen regelmäßig“, sagt Kitaleiterin Jeanette Spill: bei der Wahl der Vertrauenserzieher, bei der Anschaffung neuer Spielgeräte oder wenn es um das Ziel des nächsten Ausflugs geht. Etwa einmal im Monat kämen die Säulen zum Einsatz, seit sie 2023 aus Mitteln von „Demokratie leben“ angeschafft wurden – hier in der Kita St. Barbara und in drei weiteren Kitas des Verbundes St. Antonio. Auch eine geheime Wahl sei möglich. „Dann drehen wir die Säulen einfach um, sodass der Rest der Gruppe nicht sieht, in welcher Röhre der Ball landet.“

„Die Kinder werden sensibler, hinterfragen mehr und erleben, dass sie etwas bewirken können.“

Jeanette Spill

Auf einem kleinen Regal, das eine Ecke des Raumes abtrennt, stehen Bilderbücher mit Titeln wie „Bestimmer sein“, „Im Dschungel wird gewählt“ oder „Was ist Rassismus“. Auch die stammen aus Mitteln von „Demokratie leben“, erklärt Spill. Denn neben „Demokratie fördern“ gehören auch „Vielfalt gestalten“ und „Extremismus vorbeugen“ zu den Zielen des Programms. Insgesamt 500 Euro konnte die Kita zusätzlich ausgeben. Und last but not least organisiert die Kita einmal im Jahr ein buntes Sommerfest im Verbund mit anderen Einrichtungen, darunter das benachbarte Seniorenzentrum Barbara-Zentrum, die Erich-Klausener-Grundschule, die muslimische Gemeinde rund um die „Blaue Moschee“ und das Haus der Kulturen. Dort arbeiten die Wohlfahrtsverbände AWO, Diakonie und Caritas im Bereich Migration unter einem Dach zusammen.

Auch die externe Koordinierungs- und Fachstelle „Demokratie leben!“ unter Leitung von AWO Mitarbeiterin Daniela Franken-Vahrenholt in Kooperation mit Sabine Weißenberg von der Stadt Herten ist dort angesiedelt. Alle Fäden der Partnerschaft laufen hier zusammen. Rund 20 bis 25 Projekte jährlich fördert die „Partnerschaft für Demokratie Herten“ jedes Jahr. Über die Vergabe und das konkrete Profil (Ziele, Verfahren, Strukturen) entscheidet ein Begleitausschuss.
2024 gab es Aktionen zum Holocaust-Gedenktag, die Internationale Woche gegen Rassismus und Aktionen zum Europatag. Bis vor kurzem mussten die Beteiligten um die Fortführung des Projekts bangen, nun ist die Finanzierung für 2025 gesichert. „Der Bewilligungsbescheid liegt vor“, erklärt Daniela Franken-Vahrenholt. „Es sind jetzt auch fast alle Formalitäten geklärt, so dass wir in kürze zu neuen Projektanträgen aufrufen können. Inhaltlich geht es vor allem darum, die Engagierten noch stärker miteinander zu vernetzen, sie in ihrem Engagement zu stärken und das Netzwerk auszubauen.“

Darüber hinaus seien konkret Projekte und Veranstaltungen gewünscht, die eine demokratische Dialog- und Konfliktkultur nachhaltig stärken und dazu beitragen, dass sich unterschiedliche Zielgruppen aktiv an der Gestaltung der Stadtgesellschaft beteiligen und für demokratische Werte eintreten können. Jeanette Spill kann sich gut vorstellen, sich wieder um Projektmittel zu bewerben. Die Beteiligung der Kinder und die Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus und Vielfalt zeigten Wirkung: „Die Kinder werden sensibler, hinterfragen mehr und erleben, dass sie etwas bewirken können.“

INFO

Daniela Franken-Vahrenholt
Haus der Kulturen/Demokratie leben!
Vitusstraße 20
45699 Herten
Tel.: 02366 180713
www.haus-der-kulturen.de

Dieser Artikel stammt aus unserem Magazin „AWO erleben!“. Die gesamte Ausgabe steht hier zum Download bereit.